Heutzutage ist jeden Tag Sonntag. Zumindest, was den Fleischkonsum betrifft. Vor fünfzig Jahren noch kam der berühmte Sonntagsbraten wirklich nur einmal pro Woche, nämlich am Sonntag, auf den Tisch. Seitdem ist der weltweite Fleischkonsum enorm gestiegen – in Deutschland auf bis zu 60 Kilogramm pro Kopf und Jahr. Die Auswirkungen sind in vielen Bereichen spürbar: Klima, Umwelt, Gesundheit. Sabrina Pojda und Sandra Hoge sind Diätassistentinnen an den AMEOS Klinika in Simbach am Inn und kennen die gesundheitlichen Probleme, die unter anderem aus einem übermäßigen Fleischkonsum entstehen können, nämlich unter anderem Adipositas, Diabetes und Herzkrankheiten. „Wenn wir in der Lehrküche gemeinsam mit den Patientinnen und Patienten, Rehabilitandinnen und Rehabilitanden kochen, dann hören wir oft dieselben Erzählungen: ‚Wenn ich unterwegs Hunger bekomme, hole ich mir eben schnell einen Burger oder ein Brötchen mit Wurst. Das geht am schnellsten.‘ Fleisch ist einfach überall und jederzeit für wenig Geld zu haben. Der tatsächliche Genuss steht dabei an zweiter Stelle.“
In der Lehrküche in Simbach schärfen Sandra Hoge und Sabrina Pojda deshalb bei ihren Patientinnen und Patienten das Bewusstsein für gesunde Ernährung und den Zusammenhang mit dem seelischen Wohlbefinden. „In unserem Rahmen ist diese Verbindung deutlich sichtbar, da wir eine psychosomatische Einrichtung sind. Essen dient den häufig als Mittel der Emotionsregulation, zum Beispiel Essen aus Frust oder auch nur aus Gewohnheit.“ Die Diätassistentinnen vermitteln im Lauf der Behandlung die zehn Regeln der gesunden Ernährung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). „Wenn die Leute dann hören ‚ein- bis zweimal pro Woche Fleisch und Wurst‘, kommen sofort Einwände oder Bedenken, dass dies unmöglich sei. Doch während des Aufenthaltes lernen sie, gewohnte Verhaltensweisen zu überwinden. Beim Essen rückt wieder der Genuss mehr in den Fokus. Der schnelle Burger wird dann gar nicht mehr als befriedigende Mahlzeit wahrgenommen.“
Tatsächlich ist die von der DGE empfohlene Ernährung größtenteils pflanzlich. Deshalb stehen in Simbach sehr häufig vegetarische, ab und zu auch vegane Gerichte auf dem Speiseplan. Sabrina Pojda erklärt: „Nicht dogmatisch, sondern weil wir die Vielfalt und Kombinierbarkeit gesunder Lebensmittel in den Mittelpunkt rücken.“
Die Gerichte werden von ehemaligen Patientinnen und Patienten, Rehabilitanden und Rehabilitandinnen gerne zuhause nachgekocht. In der riesigen Rezeptesammlung findet sich natürlich auch eines für den klassischen Sonntagsbraten. Hauptzutaten: Zeit, Achtsamkeit und Genuss.