Was die meisten pflegenden Angehörigen nicht wahrhaben wollen: Wer pflegt, der muss sich auch um sich selbst kümmern! Sonst fehlen schon bald Kraft und Geduld, die man so dringend braucht. Wie man stark bleibt und die wachsende Verantwortung zu tragen lernt, erklärt die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Claudia Dallmann.
„Vor zwei Jahren wurde meine Frau pflegebedürftig. Wir sind seit 50 Jahren verheiratet – also kümmerte ich mich um sie. Aber inzwischen wächst mir alles über den Kopf... Auf mir lastet die ganze Verantwortung – wie soll ich das alles tragen? Die tägliche Pflege, ständig ist irgend etwas, ständig ruft sie nach mir, ich muss mich um den ganzen Haushalt kümmern, muss alle finanziellen und behördlichen Aufgaben regeln. Ich kann es nicht mehr ertragen. Wie soll es weitergehen? Mir ist selbst nur noch zum Jammern. Ich fühle mich immer erschöpft und müde, richtig am Ende. Nichts macht mehr Freude. Von meinen letzten Freunden ziehe ich mich immer mehr zurück."
Täglich hören wir solche oder ähnliche Aussagen von den Menschen die zu uns ins AMEOS Reha Klinikum Ratzeburg kommen, um in der Rehabilitationsklinik für pflegende Angehörige wieder Kraft zu schöpfen. Pflegende Angehörige überschreiten durch die Pflege ihre Familienmitglieds oder Partners häufig eigene Grenzen: Sie kümmern sich pausenlos um die Betroffenen, versorgen den Haushalt, müssen die Finanzen regeln, mit Behörden und Kostenträgern verhandeln - die ganze Verantwortung liegt bei ihnen. Rund um die Uhr, 24 Stunden am Tag, Jahr ein, Jahr aus! Aber was tun?
Auch an sich selbst denken
Wer pflegt, muss sich auch um sich selbst kümmern, sonst fehlt die nötige Kraft und Geduld, die für die Pflege eine wichtige Voraussetzung sind. Delegieren Sie Verantwortungsbereiche und schaffen Sie sich persönliche Freiräume! Hilfreich können dazu folgende Anregungen sein:
- Nehmen Sie frühzeitig professionelle Unterstützung in Anspruch. Am besten gleich nach Diagnosestellung. Hierdurch können Sie sich rechtzeitig vor Überforderung schützen.
- Lassen Sie sich in kompetenten Beratungsstellen über Möglichkeiten der ambulanten, rechtlichen und finanziellen Unterstützung beraten.
- Nehmen Sie ambulante Hilfsangebote in Anspruch. Ambulante Pflegedienste, Tagespflegestätten, Kurzzeit- und Verhinderungspflege können die häusliche Pflege erleichtern. Schaffen Sie sich hierdurch Entlastung und nehmen Sie sich Auszeiten!
- So werden beispielsweise Pflegebedürftige in einer Tagespflege von Fachpersonal versorgt. Abends und am Wochenende kehren sie in ihre Familie zurück.
- In Betreuungsgruppen z.B für Demenzkranke, werden Betroffene für einige Stunden von Ehrenamtlichen und Fachkräften betreut. Ambulante Pflegedienste übernehmen einzelne Aufgaben in der Pflege und im Haushalt in besonders schwierigen Situationen.
- Nutzen Sie die Kurzzeitpflege, die Pflegebedürftigen in stationäre Pflegeeinrichtungen geboten wird. Es besteht ein gesetzlicher Anspruch auf bis zu 4 Wochen jährlich.
- Auf eine Verhinderungspflege haben pflegende Angehörige Anspruch, wenn sie "verhindert" sind, weil sie z.B. selbst krank sind.
- Tun Sie sich regelmäßig etwas Gutes! Egal ob es ein Treffen mit Freunden ist, ob sie Sport treiben, Shoppen gehen oder ein Buch lesen. Wichtig ist nur, dass Sie regelmäßig Abstand vom Pflegealltag haben und sich regenerieren können.
- Ein freier Tag und eine Nacht pro Woche müssen sein, um Kraft zu schöpfen und Energie zu tanken. Nehmen Sie hierzu o.g. ambulante Hilfsangebote in Anspruch oder bitten Sie Freunde und Bekannte stundenweise bei ihrem Angehörigen zu bleiben.
- Tauschen Sie Ihre persönlichen Erfahrungen in Angehörigengruppen aus.
- Suchen Sie emotionale Unterstützung bei Ihrer Familie, Freunden oder professionellen Helfern.
Weitere Informationen
Die Rehabilitationsklinik für pflegende Angehörige im AMEOS Reha Klinikum Ratzeburg gibt Auskunft über ihre Rehaleistungen und die Mitnahme des Pflegebedürftigen. Telefonische Beratung: 04541 13 38 00.
Wie geht es Ihnen? Machen Sie einen Selbsttest. Sie finden ihn auf der Rückseite unserer Broschüre mit dem Titel "Wie geht es Ihnen?"