Alle Jahre wieder: Altbekannte Düfte, Speisen, Lieder und Traditionen in der Adventszeit und zu Weihnachten berühren Menschen mit Demenz ganz besonders. In der Vorweihnachtszeit gibt es viele Gelegenheiten, gemeinsame schöne Momente zu erleben. Die Demenzexpertin Barbara Hergert schult Rehabilitanden in der Rehabilitationsklinik für pflegende Angehörige im AMEOS Reha Klinikum Ratzeburg und hält einige schöne Beschäftigungsideen bereit.

Das Weihnachtsfest rückt näher, Einkäufe werden gemacht, Geschenkpakete zur Post getragen, weihnachtliche Verwandtenbesuche geplant – und allüberall herrscht unfestliche Hektik anstelle von vorweihnachtlicher Besinnlichkeit. Und mal ehrlich: Ist es nicht eine Zumutung, dass man bereits ab Ende August in den Supermärkten Lebkuchen kaufen kann? Dann halten Sie einen Moment inne und denken daran, dass Sie einen besonderen Menschen zu Hause haben, der von all dem Trubel gar nichts hält.

Einen Menschen, den Sie mit den einfachen, althergebrachten Dingen zu Weihnachten glücklich machen können: Ihren von Demenz betroffenen Angehörigen. Menschen mit Demenz sind wunderbar auf der Gefühlsebene erreichbar. Und welches andere Fest im Jahreslauf spricht die Gefühle so tief und unmittelbar an wie das Weihnachtsfest und ist dabei so innig mit Bildern aus der Kindheit verbunden? Was erinnert uns alle mehr an frühere Zeiten als Weihnachten?

Menschen mit Demenz können sich aufgrund ihres fehlenden Kurzzeitgedächtnisses nicht merken, dass Weihnachten vor der Tür steht. Aber sie können immer wieder sehen, hören, riechen, fühlen und schmecken, dass etwas Besonderes geschieht. Etwas, an das sie Erinnerungen haben, die im Langzeitgedächtnis schlummern.

Beziehen Sie Ihren demenzkranken Angehörigen in Ihre vorweihnachtlichen Aktivitäten mit ein. Die typischen Düfte, Speisen, Lieder und Traditionen im Advent wecken meistens angenehme Erinnerungen und Gefühle.

Barbara-Tag

Bereits Anfang Dezember, am 4.12., gibt es die alte Tradition, Kirschzweige in die Wohnung zu holen, die an Heiligabend blühen und die Hoffnung auf den nächsten Frühling verkörpern sollen. Vielleicht schneiden Sie die Zweige zusammen mit Ihrem Angehörigen im Garten oder stellen sie gemeinsam in eine Vase. Auch wenn es nur teilweise gelingt, den Demenzkranken zu motivieren und er nur an einem kleinen Teil der Handlung beteiligt ist, so stärkt das doch sein Selbstwertgefühl und damit sein Wohlbefinden.

Nikolaustag

Der mit Süßigkeiten gefüllte Schuh ist ein Symbol für die kindlichen Freuden in der Vorweihnachtszeit. Versuchen Sie mal, bereits am Abend vorher die Erinnerung mit gemeinsamem Stiefelputzen zu wecken. Wenn Ihr demenzkranker Angehöriger am nächsten Morgen eine kleine weihnachtliche Leckerei in seinem Schuh findet, freuen Sie sich mit ihm und reden über den Nikolaustag.

Weihnachtsbäckerei

Selbst wenn Ihr Angehöriger sich nicht mehr aktiv an der Weihnachtsbäckerei beteiligen kann, sorgen Sie dafür, dass er einen gemütlichen Platz in der Küche bekommt und einfach dabei ist, während Sie (vielleicht zusammen mit den Enkelkindern) diese wunderbar duftenden Weihnachtsplätzchen backen, die von der ganzen Familie geliebt werden.

Festliches Dekorieren

Weihnachtliche Dekoration in der Wohnung ist ein unübersehbares Zeichen der Vorfreude. Dazu gehören nicht nur der allseits beliebte Adventskranz oder das Adventsgesteck, sondern auch mit Nelken gespickte Orangen, mit Kerzen bestückte Pyramiden aus Holz, das Räuchermännchen oder der Weihnachtsstern und weihnachtliche Figuren, die Kindheitserinnerungen und Wohlgefühl bei Ihrem Angehörigen hervorrufen können.

Besuch auf dem Weihnachtsmarkt

Vielleicht hat ihr demenzkranker Angehöriger Spaß an einem kurzen Bummel zwischen den Buden und Karussells. Der Duft nach Backwerk, Punsch und Bratwurst liegt überall in der Luft. Sprechen Sie darüber, machen Sie Ihren Angehörigen immer wieder auf die Dinge aufmerksam, die Ihnen begegnen und naschen Sie zusammen ein paar Mutzenmandeln. So halten Sie Kontakt und werden merken, dass Ihre Freude geteilt wird.

Geschenke einpacken

Warum nicht zusammen? Geben Sie Ihrem demenzkranken Angehörigen alles, was dazu nötig ist und lassen Sie ihn einfach kreativ sein. Wenn Sie währenddessen Ihre Geschenke einpacken, haben Sie ihn im Auge und können eventuell unterstützen, wenn es angemessen ist. Dabei stehen der Spaß und die festliche Stimmung im Vordergrund, nicht die Leistung.

Weihnachtliche Musik

Sie passt natürlich sehr gut zum Geschenke einpacken. Oder legen Sie einfach mal am Nachmittag, wenn es dunkel wird, die Kerzen am Adventskranz brennen und der Christstollen oder die Lebkuchen auf dem Kaffeetisch stehen, eine CD mit festlicher Musik ein. Und nicht zuletzt: Singen Sie selber und freuen sich, wenn Ihr demenzkranker Angehöriger einstimmt.

Heiligabend und die Feiertage

Jede Familie hat ihre eigene Tradition, wenn es um den Schmuck des Weihnachtsbaumes geht. Versuchen Sie auch hier, Ihren demenzkranken Angehörigen mit einzubeziehen, indem Sie ihn zusehen und vielleicht auch mitgestalten lassen. Schauen Sie sich gemeinsam mit dem Kranken einzelne Stücke des Baumschmuckes an, lassen Sie ihn von den Süßigkeiten kosten, die an den Baum gehängt werden, singen Sie Weihnachtslieder oder legen Sie eine CD ein.

Auch mit dem Besuch einer weihnachtlichen Messe in der Kirche können Sie Erinnerungen und Gefühle aktivieren. Und dann kommt die Bescherung, auch wenn es vielleicht nur eine kleine ist. Das Auswickeln eines Geschenkes gelingt einem demenzkranken Menschen oft noch sehr gut.

Ein Höhepunkt der Feiertage ist sicher der Weihnachtsbraten – häufig traditionell eine gefüllte Gans – um den sich die Familie zum gemeinsamen Schmaus versammelt. Aber auch wenn Sie mit Ihrem Angehörigen allein zu zweit sind, lassen Sie ihn durch die Tischdekoration, die Wahl des Essens (vielleicht ein Stück Gänsebrust?) und immer wieder durch das Reden über den Anlass die festliche Atmosphäre erleben.

Erwarten Sie Verwandte und Freunde zu den Feiertagen? Dann helfen Sie ihnen doch mit einigen Tipps – das nimmt jedem die Unsicherheit, der im Alltag kaum mit demenzkranken Menschen in Kontakt kommt:

  • Sprechen Sie immer mit dem Demenzkranken über das, was Sie gerade tun.
  • Verwenden Sie dabei kurze, einfache Sätze mit klaren Aussagen.
  • Unterstützen Sie das Gesagte mit passenden Gegenständen.
  • Überfordern Sie den Betroffenen nicht.
  • Seien Sie großzügig mit Lob.
  • Gehen Sie alles ruhig an.

Es kann auch vorkommen, dass ein Weihnachtslied, der Duft eines Bratapfels oder der Anblick des geschmückten Baumes den Demenzkranken zum Weinen bringt. So eine Reaktion entspringt oft großer Trauer und der Sehnsucht nach dem, wie es früher war. Akzeptieren Sie diese Gefühle und spenden Sie Trost. Vielleicht versuchen Sie, Ihren Angehörigen mit seiner Lieblings-Nascherei abzulenken.

Manche Situationen können schwierige, zwiespältige Gefühle oder unangenehme, ja sogar quälende Erinnerungen hervorrufen. Aus der Biografie, den Erfahrungen Ihres Angehörigen können Sie auf sein Verhalten schließen und versuchen, diese belastenden Momente zu vermeiden oder sie mit ihm gemeinsam auch auszuhalten.

Grundsätzlich gilt: Einen demenzkranken Menschen kann man mit den traditionellen Bräuchen der Weihnachtszeit auf der Gefühlsebene erreichen. Auch wenn so ein Mensch auf der Ebene des Verstandes nicht viel damit anfangen kann, so sind doch andere Kanäle offen für die sinnlichen Reize dieses Festes. Ich wünsche Ihnen frohe und geruhsame Weihnachten!

Weitere Informationen zu Reha

Die Rehabilitationsklinik für pflegende Angehörige im AMEOS Reha Klinikum Ratzeburg bietet ihren Rehabilitanden u.a. auch Schulungen im Umgang mit Demenzbetroffenen. Informationen über das Rehabilitationsangebot oder telefonisch unter 04541 13 38 00.